Es ist mitten in der Nacht als ich diese Zeilen schreibe. Wir stehen auf einem wunderschön gelegenen, aber recht exponierten Stellplatz in "Arnedillo". Einem kleinen Dörfchen in den Bergen der Provinz Rioja, in Nordspanien.
Diese Lage erweist sich heute Nacht als grosser Nachteil, die Ausläufer des Orkantiefs `Ciaran` das am Tag zuvor über Europa gefegt ist, sind noch deutlich spürbar. Windgeschwindigkeiten um 100 Stundenkilometer können einem Wohnhaus nicht so schnell etwas anhaben. Aber unseren Van schütteln sie mächtig durch! Da es in dem kleinen Ort in dem wir uns befinden keine Ausweichmöglichkeit für einen Stellplatz gibt und wir bei Dunkelheit und Sturm ungern fahren möchten, harren wir hier aus bis es in einigen Stunden hell wird. Cornelia dreht sich im Bett hin und her. Ich habe mich entschieden aufzustehen und meine Schlaflosigkeit in Schreiben zu verwandeln. Das Geschaukel im Bett und das Geräusch des heftigen Windes der über den Van fegt, sind mir zu viel. Mit Kopfhörern und einer heissen Tasse Kaffee setze ich mich nun endlich an einen mal wieder längst überfälligen Blogbeitrag...
Die letzten knapp 3 Wochen waren wir mit unserem Van in Portugal und Spanien unterwegs. Ausschlaggebend war, dass Toni, der Partner von Cornelias Schwester, beim Ironman in Portugal gestartet ist. Wir haben uns vorher nie mit der Idee des Ironman auseinandergesetzt und nicht vorgestellt, welches Spektakel uns bevorstehen würde. Einfach unglaublich! Beim Ironman laufen Menschen, die sich an ihre äussersten Grenzen bringen. Menschen allen Alters und aller Nationen. Die Vielfalt der Teilnemer*innen hat uns überrascht und total begeistert. Der Ironman gilt als einer der härtesten sportlichen Herausforderungen überhaupt. Die Triathlon-Langdistanz besteht aus 3.8 km Schwimmen, 180 Kilometer Fahrradfahren und schliesslich 42,2 Kilometer Laufen. Wir sind an diesem Tag total eingetaucht in die Welt und den Spirit des Ironman, haben angefeuert und gefant was das Zeug hält!
Die Tage vor und während des Ironman waren wunderschön. Wir besuchten die Küste mit den höchsten Wellen der Welt in Nazaré. Hier findet jeden Winter ein Surf-Wettkampf statt bei dem bis zu 30 Meter hohe Wellen gesurft werden. Ganz so hoch waren sie bei unserem Besuch noch nicht, aber doch unglaublich beeindruckend! Die Zeit im Westen Portugals war eine intensive Zeit mit lieben Menschen und ein Erlebnis das wir nie mehr vergessen werden!
Die folgenden Tage nach diesem Highlight waren geprägt von Tagen an Portugals Westküste und in der unglaublich grünen Natur. Wir mussten wieder Kraft tanken nach der langen Anreise und der intensiven Zeit in Cascais und Nazaré. In solchen Momenten merken wir wieder, dass wir nach wie vor leider nicht gesund sind und sehr lange brauchen um zu regenerieren. Wir fanden tolle Plätze zum frei stehen, hier direkt am Strand "Praia do Salgado" unterhalb von Nazaré. Frei stehen in Portugal haben wir jetzt in der Nebensaison als total unkompliziert erlebt.
Und hier standen wir am "Praia de Paredes da Vitória" oberhalb von Nazaré, Stürmisch wars! Und wunderwunderschön!
Nordstrand von Nazaré mit Felsformationen und gestrandetem Müll :(
Wir entschieden uns schweren Herzens, aber der Erholung zuliebe, einen Besuch der Hauptstadt Lissabon auszulassen. Wenn wir etwas, (teils sehr schmerzlich) gelernt haben in den letzten zweieinhalb Jahren, dann ist es, unserer Gesundheit zuliebe, Prioritäten zu setzen. Dabei wiegen die Abwägung von Prioritäten gegen Sightseeing viel weniger schwer, als Entscheidungen gegen Kontakte mit Menschen die uns wichtig sind. Leider ist es nach wie vor eine Realität, dass durch Long-Covid unsere Ressourcen limitiert sind und wir schnell an unsere Belastungsgrenzen stossen.
Auf dem Weg Richtung Norden entlang der wunderschönen Küste machten wir einen Abstecher nach "Cabo da Roca". Dieser Ort bezeichnet die westlichste Stelle des europäischen Festlandes. Geärgert haben wir uns hier über Massen von Touristen, die sich an keine Absperrungen halten und so die Natur schwer schädigen. Gefreut haben wir uns über strahlenden Sonnenschein und die einzigartig schöne Küste:
Mit zu unserer Erschöpfung beigetragen haben auch die aufwühlenden Tage vor unserer Reise..
Die Zeit bis zu unserer Abreise war geprägt von enormer Sorge um unsere Lieben in Israel nach dem barbarischen Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober. Wir waren Nonstop damit beschäftigt die Nachrichten zu verfolgen und mit unseren Verwandten, von denen Viele zum Krieg eingezogen wurden, in Kontakt zu sein. Natürlich ist unsere verhältnismässig sichere Situation in Europa kein Vergleich mit der brisanten Lage in Nahost. Doch spürten wir, wie wir zunehmend an unsere Belastungsgrenze stiessen. Die Tage in Portugal und Nordspanien waren für unsere mentale Gesundheit enorm wichtig. Wir begrenzten in dieser Zeit den Konsum von Nachrichten auf einmal am Tag, widmeten uns bewusst auch anderen Themen, verbrachten viel Zeit in der Natur. Das mag egoistisch klingen. Doch eine gewisse Abgrenzung ist für uns lebensnotwendig.
Für uns ging es nach einer Woche weiter Richtung Nordspanien. Leider mussten wir, aufgrund eines sehr hartnäckigen Tiefs den Norden Portugals auslassen. Was wir in Spanien sehen und geniessen durften, hätten wir nicht zu träumen gewagt. Die Atlantikküste und das Baskenland haben uns total umgehauen!
Unser erstes Ziel auf Spaniens Landkarte wählten wir wegen eines kunterbunten Leuchtturms in "Ajo". Cornelia ist eine Leuchtturm-Liebhaberin :) Und ja, er war wirklich sehr hübsch, wenn auch etwas "Over the Top". Oder was meinst du?
Das eigentliche Highlight aber war nicht der Leuchtturm, sondern die Natur rundherum. Diese Klippen, die Macht der meterhohen Wellen, die zerklüfteten Felsen und Höhlen, die Geräuschkulisse! Einfach unbeschreiblich! Hier haben wir Stundenlang am Meer gestanden, haben der heftigen Brandung zugesehen und zugehört wie die Wellen die Küste erschüttern...
Auch die Ziegenherde scheint es hier zu geniessen :)
Unsere persönliche Welt und die äussere Welt werden permanent erschüttert. Wir leben in einer Zeit, in der die Klimakrise am eigenen Leib spürbar wird. In diesen Stunden als ich diesen Beitrag beginne, äussert sich das bei uns in einem hin und her schaukelnden Van. Der Orkan raubt uns den Schlaf. Andere, vor allem Menschen im globalen Süden, bezahlen die Klimakrise mit ihrem Leben, die noch dazu nicht von jenen Menschen, sondern von uns im globalen Norden verursacht wird.
Einen kurzen Zwischenstop machten wir in Bilbao und taten uns ein bisschen Kunst an: