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  • AutorenbildAnnele

Manchmal ist alles was du tun kannst, das, was du tun kannst.

Aktualisiert: 30. Apr. 2023

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in Südfrankreich vor unserem (ziemlich verstaubten) rollenden Zuhause. Es ist unglaublich trocken in Frankreich. Das spüren wir auch an der Luftqualität. Und an den durstigen Vögeln, die sich sehr über Lio`s vollen Wassernapf freuen. Die Morgensonne scheint mir ins Gesicht und meine 2 Ladies schlafen noch. Der erste Kaffee ist ausgetrunken und ich will die Ruhe dieser frühen Stunden des Tages nutzen, um meine Gedanken aufzuschreiben.

Der letzte Beitrag ist schon viel zu lange her. Wir wollten dich unbedingt regelmässiger an unserem Leben teilhaben lassen. Doch die hinter uns liegenden letzten Monate haben uns so viel abverlangt, dass wir die Kurve einfach nicht gekriegt haben. Gerade erst haben wir uns nach einer dreiwöchigen schweren Bronchitis einigermaßen erholt. Seit Long-Covid holen wir uns jeden Infekt ab, der irgendwo herumschwirrt. Unser Immunsystem ist geschwächt und so werden neben den täglichen Herausforderungen mit Long-Covid, Infektionen unsere ständigen Begleiter. Im Winter haben wir unsere 2. Covid-Infektion durchgemacht. Bei Cornelia kommen weitere gesundheitliche Probleme dazu, die sie schon vor Long-Covid hatte. Seit dem ersten Urlaubstag plagt ihr Rücken sie wieder so sehr, dass sie vor Schmerzen kaum laufen kann. Das frustriert und drückt häufig unsere Stimmung. Der Optimismus kommt uns an so manchen Tagen abhanden und wir glauben, das ist auch ganz normal. Das Leben ist eben Alles. Hoch und Tief. Stärke und Schwäche. Gesundheit und Krankheit... Es fehlte uns an Kraft und auch an der nötigen Motivation für einen neuen Beitrag.


Aber heute! Heute habe ich es mir ganz fest vorgenommen. Die wundervolle Umgebung hilft mir dabei. Wir befinden uns in der Camargue. Einer wunderschönen Landschaft Südfrankreichs, in der unzählige Vogelarten, wie zum Beispiel der Bienenfresser und Flamingo, sowie Wildpferde beheimatet sind. Auf der Herfahrt durften wir im "Nationalpark Camargue" schon einiges an "Wildlife" bestaunen:

Während ich also endlich beginne zu schreiben, erwacht auch die Familie im Wohnmobil hinter uns, die gestern Abend spät noch unüberhörbar an ihrem Urlaubsdomizil angekommen ist. Zigarettenrauch steigt mir in die Nase und das laut streitende Paar stört meine Ruhe. Schon früh am morgen muss ich mich von der Ruhe und Idylle der Umgebung verabschieden. Ich ärgere mich.


Ich sehne mich nach Ruhe. Wir beide sehnen uns danach. Das Leben mit Long-Covid ist kräftezehrend, anstrengend, bisweilen zermürbend. Wir sind ständig am Limit. Müssen uns gefühlt andauernd von irgendetwas erholen. Zu den Sorgen in Bezug auf die Gesundheit, kommen die finanziellen Sorgen. Cornelia ist nach ihrer Kündigung nun arbeitslos gemeldet, jedoch nur eingeschränkt vermittlungsfähig. Eine Stelle zu finden mit nur 20% Arbeitsfähigkeit und sehr begrenzt möglichen Tätigkeiten, ist unglaublich schwierig. Nach 3 Monaten Belastungstraining durch die Schweizerische Invalidenversicherung, habe ich nun 10 Tage Ferien. Und so sind wir nach Südfrankreich, ans Meer gefahren. In der Hoffnung, etwas Distanz zu gewinnen und die Batterien wenigstens "halbwegs" (Lieblingswort meiner lieben Frau) aufzuladen. Die Fahrt hierher hat uns so sehr angestrengt, dass wir die ersten 3 Tage garnichts machen konnten. Bei Cornelia kommt der schmerzende Rücken dazu und so verbringt sie die ersten Tage hier, zwischen Bett und Hängematte. Spaziergänge ans Meer sind unglaublich anstrengend, schmerzhaft und keine Erholung. Das frustriert und will ausgehalten werden...

Wir haben uns, nach Cornelias Hexenschuss am ersten Tag der Reise ernsthaft überlegt, einfach umzukehren. Wie bei allem, müssen wir auch bei diesem "Urlaub" ständig abwägen, ob der "Nutzen gegenüber den Kosten" überwiegt... Und wir können uns nie sicher sein, was am Ende der Fall ist...


Der heutige sonnige Morgen an der Mittelmeerküste an dem ich so gerne in Ruhe beginnen wollte zu schreiben erinnert mich auch daran, dass echte Ruhe ein sehr seltenes Gut ist. Ruhe ohne Störungen, ohne Trigger. Sicher gibt es solche kostbaren Momente "echter" Ruhe und Entspannung. Doch ein Leben ohne Störungen ist natürlich eine Illusion. Sie gehören zu unser aller Alltag. Long-Covid bedeutet nicht nur den Verlust an physischer und psychischer Energie, sondern leider auch den Verlust an Fähigkeit, mit diesen eigentlich "normalen" Störungen einen guten Umgang zu finden. Unser Reizfilter ist defekt und wir müssen aktiv lernen, diesen Defekt in unser Leben zu integrieren.

Heute morgen gelingt mir das nur mässig. Was kann ich tun? Es trotz Trigger versuchen. Trotz Störungen den Versuch wagen, mich aufs Schreiben einzulassen. Notfalls mit Kopfhörern oder Oropax. Ein Zitat, das ich vor Kurzem in einem Film aufgeschnappt habe kommt mir in den Sinn: "Manchmal ist alles was du tun kannst, das, was du tun kannst." Was kann ich tun? Es trotzdem versuchen. Erstmal ohne Oropax.


Und siehe da, nach einer Weile gelingt es mir unsere "störenden streitenden Nachbarn" als Inspiration zu begreifen. Als Beispiel für ein Leben, wie ich es nicht leben will. Ständig streitend, laut, ohne Verständnis fürs Gegenüber und die eigenen Kinder, immer getrieben, unruhig und zutiefst unzufrieden. Mutmasslich gefangen in einem Alltag immer gleicher Routine und Zwänge. Wir wollen uns unseres Lebens bewusst sein. Ein bewusstes Leben leben. Unser Leben. Das gelingt uns oft nicht. Doch dieses streitende Paar macht mich plötzlich sehr dankbar. Dankbar für meine Frau an meiner Seite, die mich liebt wie ich bin. Dankbar für unsere Lio, die unseren Alltag so sehr bereichert. Dankbar für unsere Fähigkeit konstruktiv zu streiten und gemeinsame Visionen zu entwickeln. Dankbar für unsere gemeinsamen Träume und die Zeit die wir miteinander verbringen können. Und dankbar für Menschen an unserer Seite, die uns lieben, begleiten, mit uns leiden, uns aushalten, sich mit uns freuen, mit uns Leben teilen.

Unglaublich dankbar sind wir auch für unseren MANi. Unseren wundervollen Van. Er ist uns ein echtes Zuhause auf 4 Rädern geworden. Er schafft uns, mindestens in Bezug aufs Wohnen, Perspektiven für die Zukunft und hilft uns, uns auf sie zu freuen. Ein minimalistisches Leben auf kleinem Raum ist Etwas, das wir uns beide sehr gut vorstellen können. Auch wenn wir noch nicht wissen, in welche Richtung sich unsere Zukunft entwickelt. Unser MANi verschafft uns mehr Freiraum und Mobilität. Ein unglaubliches Glücksgefühl, dass wir ihn endlich unser Zuhause nennen dürfen. Er ist ein enormer Gewinn für unseren Alltag, ohne Wohnung in der Schweiz. Diese Zeit in Südfrankreich ist unsere erste tatsächliche Reise mit ihm. Und da kommen die Erinnerungen an die Zeit des Vanlife in unserem "Cali" mit voller Macht wieder. Dieses Lebensgefühl ist einfach mit nichts zu vergleichen und wir sehnen uns so sehr danach ortsunabhängig zu leben und zu arbeiten...

Doch leider ist unser Alltag geprägt von viel Unsicherheit. Unser Gesundheitszustand ist nach wie vor total instabil und scheint, auch wenn wir das kaum laut auszusprechen wagen, eher chronisch zu werden, als sich zu verbessern... Diese Unsicherheit und gesundheitliche Beeinträchtigung macht es uns unglaublich schwer, Perspektiven für unsere Zukunft zu entwickeln. Wir wissen nicht, was kommt. Ob und in welchem Mass wir wieder arbeitsfähig werden, welche Arbeit überhaupt möglich ist. Doch immer wenn wir an solchen Gedanken haften bleiben, müssen wir uns klar machen, dass Zukunft immer unsicher ist. Für jede*n. Und ein Leben ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ist es ebenso. Kein Mensch ist davor gefeit. Ausserdem werden wir älter. Auch das lässt sich nicht verleugnen. Und muss es auch garnicht. Das ist das Leben. Also: "Manchmal ist alles was du tun kannst, das, was du tun kannst." Und so denken wir trotz widriger Voraussetzungen über die Zukunft nach. Denn träumen ist wichtig! Das können wir tun. Auch wenn der Weg zur Umsetzung unseres Traums jetzt noch nicht klar ist: Wir haben nur dieses eine Leben. Und das wollen wir nicht verpassen!

Wir haben uns in den letzten Monaten viel mit John Strelecky und seiner Theorie der "Big Five for Life" auseinander gesetzt. Es ist so wichtig, dass wir unseren individuellen "Zweck der Existenz" erkennen und ihn leben. Doch da sind so viele Umstände die diese Umsetzung blockieren. Bei uns ist es unsere mangelnde Gesundheit und damit zusammenhängende finanzielle Unsicherheit. Doch wären wir nicht krank, wären dies womöglich andere Umstände?! Ein Karriere die nicht unterbrochen werden kann, Partner und Kinder, die uns binden, ein Haus das abbezahlt werden will, Kinder die betreut oder Angehörige die gepflegt werden müssen, etc.pp.. Dazu ein Auszug aus einem der besagten Bücher: "Wenn Sie mehr über ihren `Zweck der Existenz` herausfänden und Sie dann Ihren Terminkalender der nächsten Wochen durchgehen würden, um all die Dinge (...) und Aktivitäten anzukreuzen, die ihnen dabei helfen, ihn zu erfüllen, dann vermute ich, dass nicht viele Markierungen im Terminkalender zu sehen sein würden. Und darin liegt eine grosse Gefahr! Denn die Woche wird zu einem Monat und der Monat wird zu einem Jahr. Und bevor Sie sich's versehen, sind sie bereits am Ende angekommen." (J.Strelecky, The Big Five for Life - Was wirklich zählt im Leben. S.71).

Wir wollen dich - und uns selbst - dazu ermutigen, an deinen Träumen festzuhalten und sie umzusetzen. Lebe das Leben, das dir bestimmt ist! Trotz, nein mit allen Widrigkeiten!

Als ich diesen Beitrag beende, beginnt einige Plätze weiter jemand Saxophon zu spielen. Es klingt wunderschön. Leicht und beschwingt und zaubert mir sofort ein Lächeln ins Gesicht. Und so wird eine Störung in meinem unmittelbaren Umfeld plötzlich zu Etwas, das ich geniessen kann. Zu Etwas, das mir Hoffnung macht. Ich sehne mich danach zu schreiben. Und so oft werde ich daran gehindert. Durch widrige Umstände. Der Klang des Saxophons macht mir bewusst, dass es wichtig ist, mich dennoch hinzusetzen und zu schreiben. Erst wenn ich diesen Schritt gehe, kann Etwas Positives entstehen. Allen Widrigkeiten zum Trotz.


Wir sind der festen Überzeugung, dass Störungen, dass widrige Umstände, einen Sinn haben. Auch wenn es nur allzu oft schwer ist, diesen zu sehen. An unserem ersten Abend hier in der Camargue erlebten wir nach Sturm und Regen, einen utopisch schönen Sonnenuntergang. Es brauchte diese Störung, dieses Unwetter. Der Himmel hätte sonst nie so geleuchtet:

Und gegen Ende unserer Zeit hier schlagen die Ruhe und das Kortison bei Cornelia doch endlich an und wir können noch einiges sehen, erleben, geniessen. Hier im bildschönen Süden Frankreichs. Die Welt birgt so viel Schönheit, so viele Wunder in sich, die entdeckt werden wollen.

Wir wünschen dir eine wundervolle Zeit, mit vielen positiven Störungen und dem Mut, deinen Träumen Gestalt zu verleihen. Egal wo, egal wie auf dieser Welt das ist.


Frühlingsliebe geht raus zu euch von den:

CALIs.


Photo-Credit: Cornelia & Ann-Kathrin Fischer

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